Freitag, 4. November 2016

Über lachende Kinder und nagende Zweifel

Eine weitere Woche ist vergangen..

Am Montag trafen wir in unserem Klassenraum nicht nur auf die üblichen drei Lehrerinnen, sondern auch auf eine vierte junge Frau. Wie sich herausstellte, wurde sie wohl offenbar eingelernt. Ob aus Höflichkeit, weil sie neu ist oder weil sie tatsächlich ein Herz für Kinder hat, sie war zumindest sehr nett zu unseren Kleinen. Leider fürchten wir aber, dass sich dies bald ändern könnte, wenn sie von jenen Lehrerinnen eingearbeitet wird.. hoffen wir uns zu irren. Wie üblich kümmerten wir uns um die Hefte der Kinder. Zwischendurch wurde ein bisschen gesungen, allerdings werden die Lieder von der Lehrerin immer so schnell heruntergerattert, dass die Kinder gar keine Zeit haben sich daran zu erfreuen. In der letzten Stunde gingen wir mit den Kindern auf den Hof, unter anderem wurde Seil gesprungen, was immer wieder ein Highlight ist. Dabei machte mich die Lehrerin, die kaum noch laufen kann, meistens nur in der Ecke sitzt und döst oder den Kindern Anweisungen zuruft, fast wahnsinnig. Ständig brüllte sie irgendetwas in unser Spiel herein, wies die Kinder bei der kleinsten Kleinigkeit zurecht und letztendlich wollte sie sogar anordnen, dass das Springseil weggepackt wird. Da es nicht das erste Mal war, war meine Geduld fast aufgebraucht. Ich erklärte ihr also, dass es nun unsere Zeit ist und die Kinder hier sehr wohl herumrennen und Seilspringen dürfen. Daraufhin zog sie nur die Augenbrauen hoch, schaute missbilligend und nickte dann grimmig. Die Kinder hatten auf jeden Fall ihren Spaß. In der Pause hatten Lea und ich Kochbananen-Chips gekauft und aßen sie zusammen mit den Kindern, sie freuen sich immer sehr, wenn wir etwas mit ihnen teilen. Sie tänzeln dann umher, lachen aus voller Kehle und halten schüchtern ihre Hände hin. Einige bedanken sich sogar ganz vorbildlich. Übrigens haben wir nun jeden Tag eine Flasche für die Kinder mit, sie wird ständig aufgefüllt und geht dann herum. Sie sind immer so durstig. Die kleine Rosemary (wie sich herausstellte nicht “Rosemond”, die Lehrerin hatte wohl nicht richtig zugehört) ist ein richtiger Sonnenschein und jemand, mit der man Pferde stehlen kann. Sie und Ohenewah nehmen Lea oder mich immer mit zur Toilette, damit wir aufpassen und ihnen helfen. Ohenewah sah heute übrigens überhaupt nicht gut aus, sie scheint einen juckenden Ausschlag zu haben. Ich fragte die Lehrerinnen, ob sie wüssten was es sei. Sie waren natürlich ziemlich desinteressiert und meinten, dass es bestimmt nur Hitzepickel seien. Nun ja, wir werden es mal die nächsten Tage beobachten.. Die Momente mit den Kindern geben mir immer wieder Kraft für den nächsten Tag. Sie sind mir so sehr ans Herz gewachsen und ich werde traurig, wenn ich daran denke, dass wir nur noch ein paar Tage da sind und sich danach wieder kein Mensch für sie interessiert. Und apropos.. heute wollten wir dem Schulleiter ja mitteilen, dass wir nur noch 2 Wochen da sind und dann das Projekt wechseln werden. Blöderweise hatte aber unser Koordinator Richard bereits mit ihm telefoniert und es ihm gesagt. Das fanden wir überhaupt nicht gut, da wir selbst das Gespräch suchen wollten um auch über die Gründe zu sprechen. Nun ja, der Schulleiter reagierte zwar ganz lieb, es schien ihn aber auch nicht sonderlich zu kümmern. Er fragte sogar, ob wir heute schon gehen würden und meinte nur “no problem!”. Wir streben aber trotzdem noch ein etwas ausführlicheres Gespräch an..
Nach Schulschluss ging es wieder einmal in die Stadt und wieder einmal zur Schneiderin. Meine Hosen waren leider immer noch um einiges zu groß. Ich erklärte was geändert werden sollte und wir warteten. Nach dem ersten Umnähen hatte sich kaum etwas geändert, außer, dass ein Hosenbein nun enger war als das andere. Also noch ein Versuch. Plötzlich hätte nur noch ein Kinderfuß hindurch gepasst, aber bestimmt nicht meiner. Ich erklärte es also noch einmal, hatte aber auch das Gefühl, dass sie es nicht wirklich verstand oder nicht so richtig zuhörte. Da auch nichts gemessen oder markiert wurde, ist es auch kein Wunder, dass jedes Hosenbein unterschiedlich ist, haha! Lea und ich befanden uns wieder einmal zwischen Lachen und Verzweiflung. Schließlich entstand ein passendes Maß und so trug ich ihr auf, alle Hosenbeine haargenau so zu nähen. Wir hatten aber inzwischen so viel Zeit verplempert, dass wir sagten, wir würden am nächsten Tag wiederkommen. Hoffentlich wird es noch was.. Fairerweise muss man sagen, dass es nicht jene Frau war, die unsere Hosen genäht hatte, sondern ihre Kollegin. Nun ja, dafür hatte ich aber während der Warterei eine junge Frau angesprochen, deren Haar uns total gefallen hat. Kurzerhand lief sie mit uns zum “Salon”, es war mehr ein unscheinbares Eckchen, aber sehr sympathisch und vor allem auch viel günstiger als das was ich bisher gezahlt habe. Irgendwann nach unserer Reise werden wir uns da mal die Haare auffrischen lassen.

Der Dienstag war schrecklich langweilig. Da Allerheiligen war, schloss die Schule nach der ersten Pause, also um kurz nach 10 Uhr. Davor gab es einen Gottesdienst und ein bisschen Üben des Alphabets. Lea und ich liefen also in Richtung Stadt. Auf unserem Weg wurden wir wieder etliche Male angesprochen. Zwei Männer waren völlig begeistert von uns, wollten erst unsere besten Freunde werden und uns dann doch lieber heiraten. Sehr amüsant mal wieder. Bei der Schneiderin holten wir meine Hosen ab. Nun war auch wieder die Chefin da. Nach einer weiteren Änderung (ihre Kollegin hatte ihr nur die Hälfte erzählt) war alles gut. Anschließend sahen wir uns noch ein wenig weiter in der Stadt um. Ich suchte vergebens nach einem neuen Paar Schuhe, dafür fanden wir aber ein paar Schreibwarengeschäfte, den Spot ‘Big T’, in dem ehemalige Freiwillige unserer Organisation wohl immer gesessen hatten und das Restaurant in Koforidua (hatten uns schon ein paar Ghanaer empfohlen), da müssen wir bald mal einen Happen essen gehen. Im ‘Big T' tranken wir eine Cola, dann ging es in den Supermarkt und als uns die Ideen ausgingen, machten wir uns auf den Heimweg. Wir wurden von einem Regenschauer überrascht und mussten uns lange unterstellen. Für die Kinder wollten wir wieder ‘fruit bread' kaufen, also ging es zur ‘bread factory’. Auf dem Weg hielten wir einen Plausch mit einem Mann. Vor ein paar Wochen hatten wir gesehen wie er ziemlich coole Taschen verkaufte. Es wurde abgemacht, dass er uns zu morgen zwei seiner Kokosnuss-Taschen fertigstellt. Das ist schon wieder typisch für hier. Diese Herzlichkeit, dass man sich Zeit nimmt und ganz spontan ist. Man unterhält sich einfach nur mit jemandem und schwups hat man etwas neues im Warenkorb und wieder einmal etwas erlebt!

Mittwoch: der Unterricht war überraschend angenehm. Dies lag wohl daran, dass “nur” die jüngere der Lehrerinnen, sowie die neue Lehrerin da waren. Der Drache, wie wir sie insgeheim nennen, erschien zum Glück nicht. Wir denken, dass die anderen sehr beeinflusst werden von jener Frau, was wirklich schade ist, denn ohne sie könnte es fast nett sein.. In der Pause gab es dann fruit bread und die Kinder haben sich wieder sehr gefreut. Es tat uns nur wahnsinnig Leid, dass so viele ältere Schüler nichts abbekamen, so ein Brot reicht leider nicht für eine ganze Schule. Bewundernswert ist es aber, dass wirklich jedes einzelne Kind brüderlich teilt, möge es nur ein noch so winziges Stück selbst haben. Das finde ich toll. Später gingen wir dann mit den Kindern auf den Hof. Dort spielten wir fangen, alberten herum, kuschelten und kletterten auf Bäumen. Meistens nennen sie uns ja bei unseren Namen, aber gerade, wenn sie ganz aufgeregt sind, rufen Sie nur noch “Obruni, Obruni!” Das ist aber sehr süß. Sobald der Kindergartentag sich dem Ende neigt, müssen die Kinder die Stühle hochstellen und fegen. Die Lehrer gehen dann einfach und lassen die Kleinen tatsächlich unbeaufsichtigt. Wenn Lea und ich gehen, dann wollen sie oft mitkommen (und wir würden sie gerne mitnehmen!). Rosemary lief heute ganz beschwingt neben uns her und erzählte dabei eine Menge – es ist so schade, dass wir sie nicht verstehen! Aber das kümmert sie nicht, sie brabbelt den ganzen Tag vor sich hin und lacht sich scheckig, wenn ich ihr auf Englisch sage, dass ich sie leider nicht verstehe. Sie ist wirklich goldig.
Wir liefen wieder einmal ein ganzes Stück und freuten uns auf unsere Taschen, die wir abholen wollten. Aber wir sind in Ghana. Das hatten wir kurz vergessen. Denn von unserem “rasta man” war weit und breit keine Spur und jemand informierte uns, dass er heute nach Accra an den Strand gefahren sei. Na, warum auch nicht!? Ein bisschen bedient waren wir schon, ich hatte gestern extra mehrmals gefragt, ob er da sei und die Taschen dann fertig wären. Vor allem aber hatten wir uns richtig darauf gefreut, da es unseren Tag noch einmal aufgewertet hätte. Tja, – “kommste heute nicht, kommste morgen!”, so läuft das hier in Ghana. Aber wir haben ja unendlich viel Zeit, also versuchen wir einfach morgen nochmal unser Glück. Nachdem mein Matschauge uns letzte Woche einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, geht es morgen auch wieder auf den Perlenmarkt.

Der Donnerstag startete überraschend gut im Kindergarten. Wie immer meldeten wir uns in unserem Buch an, mit Arbeitsbeginn und Arbeitsende (als würde dies irgendjemand kontrollieren, haha). Da der Schulleiter da war und noch einmal fragte, wann genau unser letzter Tag ist und wissen wollte, wie es so im Waisenhaus ablaufen wird, nutzten wir gleich mal die Gelegenheit und redeten uns einiges von der Seele. Wir hatten das Bedürfnis uns zu erklären und wollten außerdem ein paar Denkanstöße geben. Er hörte uns zu, berichtete davon, dass ehemalige Freiwillige genauso abgeneigt waren vom Rohrstock und interessierte sich dafür, dass es in Deutschland auch ohne körperliche Bestrafung geht. Er sagte auch, dass das ghanaische System nun mal vorsieht, dass Kleinkinder schon unterrichtet werden. Und es klang so, als fände er es auch nicht allzu schlecht, wenn es ein paar mehr Spieleinheiten geben würde. Ich denke, dass er sich Gedanken um seine Schule macht und der Fehler liegt nicht bei ihm, sondern im System.. Als wir auf unseren Klassenraum zu liefen, kam Rosemary auch sogleich in unsere Arme gerannt, das war sehr süß. Verrückterweise konnten wir dann eine ganze Weile mit ihr draußen spielen, ohne dass ein “get inside!” kam. Ich habe sogar ein Video gemacht, weil es einfach zu niedlich war. Irgendwann wurden wir dann doch gerufen, da wir die Aufgaben für die Kinder schreiben sollten. Doch danach durften ein paar jüngere Kinder sogar mit uns vorn sitzen und leise spielen. Sehr überraschend und entweder waren die Lehrer gut drauf oder hatten keine Lust sich um Disziplin und Ordnung zu kümmern. Wir und die Kinder waren auf jeden Fall glücklich darüber. Mit dem Springseil ging es später auf den Hof und die Kinder liefen aneinander “gekettet” durch die Gegend und hatten volle Kanne Spaß dabei.
Nachmittags ging es auf den Perlenmarkt und wir sind beide um ein Fußband reicher. Wenn ich zurück nach Berlin komme, ist womöglich bis zum Knie alles voller schöner Bänder! Ich hab wieder viele, viele tolle Dinge gesehen, aber so kurz vor unserer Reise möcht ich mich erstmal zurückhalten. Wir sind schon relativ bekannt hier und überall her werden wir gerufen und sind entweder “friends” oder “sisters”! Nach unserem Rundgang, fing es fürchterlich an zu regnen und alle packten hektisch zusammen und stellten sich in die Hütten. Unser Freund Ayo, den wir hier auf dem Perlenmarkt kennengelernt hatten und der auch mit uns in Suhum feiern war, kam vorbei und so wurde uns nicht langweilig. Wir quatschten und philosophierten. Man musste sich nur ziemlich anschreien, da der Regen auf den Blechdächern wahnsinnig laut ist. Nach Ewigkeiten hörte es endlich auf zu regnen. Ursprünglich wollten wir ja unsere bestellten Taschen abholen, aber wir waren uns auch sicher, dass der Gute wahrscheinlich inzwischen schon Feierabend gemacht hatte, erst recht bei dem Regenwetter. Also wurde das noch einmal verschoben.
Auf meinem Weg den Berg hoch, treffe ich ja immer auf eine Menge Kinder. Letztens lernte ich ein paar neue kennen. Die älteren Jungen fragten mich erst nach einem Fußball, dann wurden sie übermütig und forderten erst ein Handy und dann einen Laptop. Dabei lachten sie aber und meinten es auch nicht (ganz) ernst. Ich traf aber auch auf ein ungefähr 2 Jahre altes Mädchen, das ganz sehnsüchtig meine Wassertüte anstarrte und mich mit großen Augen ansah, als ich ihr die Tüte gab. Oder meine kleine Freundin (->"sister Roxy") und ihr Bruder, denen ich neulich meine Papaya schenkte. Unglaublich wie sich die Kinder hier über so etwas freuen!
Zuhause gab es dann Kochbananen mit Stew. Übrigens habe ich mich inzwischen gut an Kochbananen gewöhnt und esse sie gerne, solange es nicht täglich ist. Ich esse übrigens immer mit den Händen, falls ich das noch nicht erwähnt hatte. Gibt es Fleisch, dann gebe ich die Knochen immer an unseren Hund, welcher vor Freude immer völlig durchdreht. Das macht dann auch mir eine Freude!

Wieder Freitag.. im Kindergarten war die Langeweile wieder groß. Freitags sind meist weniger Kinder da, weil.. weil Freitag!? Ich weiß es nicht. Die Lehrerinnen versuchten den Kindern ein Lied beizubringen, das war mal wieder eine Tortur. Es wurde tausendmal wiederholt, völlig lieblos und die Kinder hatten überhaupt keine Lust. Daraufhin schimpften die Lehrer, dass die Kinder gefälligst fröhlich singen sollen, aber das hat es natürlich nicht besser gemacht. Nun ja. Die Bindehautentzündung geht noch herum, heute war das Auge von Antoanette so dick wie meins am letzten Donnerstag. Da hatte ich direkt das Gefühl auch wieder ein entzündetes Auge zu bekommen. Hoffentlich kümmern sich da ihre Eltern drum.. Ansonsten wurde drinnen Memory und draußen mit dem Springseil gespielt. Gegen Ende sagten wir Madame Loretta, dass die nächste Woche unsere letzte hier sein wird. Wir wussten nicht, ob der Schulleiter es ihnen schon gesagt hatte, offenbar war dem aber nicht so. Sie schien ein wenig überrascht, fragte, warum wir hier nicht glücklich sind und sagte “we will miss you”. Aber das war wohl eher so eine Floskel. Lea und ich haben uns aber, der Kinder wegen, vorgenommen, der Schule ab und zu mal einen Besuch abzustatten. Nächsten Donnerstag wollen wir dann zum Abschied ein paar Kleinigkeiten für die Kinder mitbringen und Freitag ist dann der letzte Tag.
Nach Feierabend machten wir uns auf den Weg zum Rasta man. Aber – oh Wunder – von unseren Taschen war weit und breit keine Spur. Er hatte wohl Probleme das Material aufzutreiben oder irgendwie sowas und bat uns am Montag wiederzukommen. Ich war schon gar nicht mehr überrascht. Ihm schien es aber immerhin Leid zu tun und er wolle uns “für unsere Geduld belohnen”, da bin ich ja mal gespannt! Gerade als wir los wollten in die Stadt, wurden wir wieder einmal vom Regen überrascht. Dazu blitzte und donnerte es ordentlich, sodass wir widerwillig beschlossen nachhause zu gehen.
Heute war nicht mein Tag.. ich habe wieder einmal (zu) viel nachgedacht. Momentan zweifle ich heftig daran, es bis März zu schaffen. Dafür müsste sich einiges ändern, wie zum Beispiel genügend Arbeit im Waisenhaus für uns und mehr Kontakt zu anderen Freiwilligen. Leider, leider habe ich aktuell das Gefühl meine Zeit hier abzusitzen und dies war überhaupt nicht Sinn der Sache. Ich bin sehr froh, dass jetzt erstmal unsere Reise kommt und danach ein neues Kapitel beginnt. Und davon ist es dann abhängig wie es für mich weitergeht..

Jetzt wünsche ich euch erstmal ein schönes Wochenende, friert mir nicht ein! Morgen geht es dann nach Aburi für uns, in den botanischen Garten und auf den Holzmarkt.

Viele Umarmungen!!

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