Donnerstag, 8. Dezember 2016

Start im Waisenhaus

Hallo meine lieben Obrunis,

Nach meinem kilometerlangen Reisebericht, der euch hoffentlich gefallen hat, möchte ich euch nun ein bisschen etwas über meinen neuen Alltag erzählen.

Seit Donnerstag, dem 1. Dezember arbeite ich nun im Waisenhaus. Lea und ich fahren gegen 8 Uhr mit dem Taxi zur Station und steigen dort in ein Trotro nach Suhum. Morgens kommt man gut durch und so sind wir nach 30 Minuten angekommen. Von dort aus laufen wir noch gute 5 Minuten und kommen schließlich am jehova rapha children’s home an.
Der Donnerstag war eher ernüchternd und genauso wie ich es erwartet habe. Vielleicht habe ich mich mittlerweile auch ein winziges bisschen an das ghanaische System gewöhnt, sodass ich nicht erneut (wie damals als ich anfing im Kindergarten zu arbeiten) völlig aus den Wolken fiel. Begrüßt wurden wir nicht so wirklich und herumgeführt oder etwas erklärt schon gar nicht. Zum Glück gibt es ja aber Alina, eine Freiwillige, die auch seit September in Ghana ist. Somit konnte sie uns ein wenig aufklären. Es ist ziemlich unübersichtlich, man weiß nie so recht welches Kind wo hingehört, denn zum Waisenhaus gehört auch eine Schule. Wir befanden uns erstmal in einem riesigen Raum, vergleichbar mit einer Aula. Als wir ankamen, fuhren die Kinder mit Dreirädern und Bobbycars durch den Raum und ich war erstmal ziemlich beeindruckt! Außerdem gibt es auch eine große Tasche mit Spielzeug: ein paar Stofftiere, Bausteine und jegliches Plastikspielzeug. Viele Sachen sind schon kaputt, abgenutzt oder eben einfach Plastikschrott, dennoch ist es super, dass es überhaupt etwas gibt und die Kinder hüten diese Dinge wie Schätze. Wir dürfen dann mit den Kindern auf geflochtenen Matten sitzen, das Spielzeug auspacken und mit ihnen spielen. Fast so wie in einer richtigen Kita. Die Kinder in diesem Raum sind so 1 bis 3 Jahre alt. Es gibt auch Säuglinge, auf die wir allerdings bisher nur einen kurzen Blick erhaschen konnten. Die zuständige Frau in jenem Raum heißt Hannah. Sie sitzt auf einem Stuhl hinter einem großen Tisch, legt sich aber auch gerne mal auf diesen oder auf den Boden. Die meiste Zeit verbringt sie mit essen oder schlafen. Und sie kommandiert sehr gerne, sowohl die Kinder als auch uns. Letztens forderte sie Alina auf ihr eine Tasche zu reichen, die vor ihrer eigenen Nase auf dem Tisch lag. Doch sie war einfach zu faul sich nach vorne zu lehnen und so musste Alina ein Kind absetzen, aufstehen, hinlaufen und ihr die Tasche reichen. Da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln und lachen (ich persönlich wäre dieser lächerlichen Aufforderung auch einfach nicht nachgekommen). Sie lässt uns also gerne jegliche Dinge erledigen und genießt ihre Freizeit. Ich finde das eigentlich super, denn je mehr ich zu tun bekomme, umso beschäftigter bin ich eben und das möchte ich sein.
Die Kinder sind alle unglaublich süß. Am ersten Tag waren sie noch sehr zurückhaltend, inzwischen weichen sie uns aber kaum noch von der Seite und genießen die Zuneigung, genau wie unsere Kinder im Kindergarten. Allerdings ist (zum Glück) kaum jemand Waise, wie man eigentlich annimmt. Die meisten Kinder werden nachmittags oder aber am Wochenende von ihren Eltern abgeholt. Wie gesagt, es ist alles sehr verwirrend und undurchsichtig..
Es gibt morgens Frühstück, meistens Reis, und später ein Mittagessen. Jedes Kind hat eine Schüssel. Doch wenn es keine hat, dann fällt auch das Essen aus. Enchi, ein kleiner Junge, der tatsächlich ein Waise ist, saß letztens schweigend neben all den essenden Kindern. Ich fragte also warum er denn nicht mitesse. Die Antwort war, dass er eben keine Schüssel besitze. Und nun stellt man sich natürlich die Frage, woher denn ein Waisenkind auch eine Schüssel haben soll!? Also erklärte ich ihr geduldig, dass ich denke, dass er nichtsdestotrotz etwas essen sollte und man sich auch eine Schüssel leihen könnte. So bekam Enchi also doch noch etwas in den Magen.
Ab und zu wird auch mal die Windel gewechselt, allerdings nur, wenn es sich wirklich nicht mehr vermeiden lässt, denn Windeln sind Mangelware. Ich wechselte also schon Windeln, die wirklich randvoll waren und das nicht nur mit Pipi.. die Kinder sitzen dementsprechend viel zu lange in der vollen Windel, wenn sich niemand darum kümmert. Feuchttücher gibt es natürlich nicht, nur Toilettenpapier und Wasser ist eben auch Mangelware. Jeder, der schon mal eine Windel gewechselt hat, der kann sich wahrscheinlich gerade vorstellen was für eine Herausforderung das ist und vor allem wie ungesund und unangenehm es für die Kinder sein muss.
Die Kinder nehmen alles in den Mund, was ja nicht ungewöhnlich ist. Allerdings schätze ich, dass sie es auch tun,  weil sie hungrig sind und nach einem Ersatz suchen, denn es wird alles ordentlich zerkaut.
Entweder vor oder nach dem Mittagessen schlafen die Kinder. Geweckt werden sie, indem ihnen ein paar mal auf den Rücken oder auf das Bein gehauen wird oder indem sie einfach an einem Arm hochgerissen und hingestellt werden. Eine wirklich brutale Art jemanden zu wecken, vor allem ein Kleinkind. Aber die Kinder sind es gewohnt und weinen tut hier niemand.
Bezüglich all dieser Dinge muss ich oft daran denken worüber man in berliner Kitas diskutiert.. natürlich sind es völlig verschiedene Welten und nicht miteinander vergleichbar, aber eben trotzdem komplett schockierend.

Die Zeit am Donnerstag verging sehr schnell, am Freitag war dann ein Feiertag und wir gingen zum Friseur (meine Haare sind jetzt pink!). Dann stand ja schon das Wochenende vor der Tür. Ursprünglich hatten wir geplant auch mal am Wochenende ins Waisenhaus zu fahren, denn wir nahmen ja an, dass die Kinder immer dort sein würden. Aber so verbrachten wir das Wochenende erstmal zuhause.
Der Montag war zufriedenstellend. Wir hatten ein bisschen etwas zu tun, hauptsächlich um die Kinder kümmern und nach dem Mittag abwaschen und solche Dinge. So gegen 14:30 Uhr wird dann übrigens “zu gemacht”, zumindest dieser Raum und wir werden entlassen. Bisher passte es zeitlich eigentlich ganz gut, da wir ja noch die Fahrt vor uns haben (oft mit Stau) und immer noch etwas in der Stadt zu tun hatten. Der Dienstag zog sich ein bisschen mehr, mit den Kindern hatten wir aber trotzdem viel Spaß (und Seifenblasen waren wieder mal der Hit). Am Mittwoch waren dann Wahlen in Ghana und alle waren befreit von Arbeit und Schule. Schon seit Ewigkeiten sind die Ghanaer sehr aufgeregt und seit Tagen wurde über nichts anderes mehr gesprochen. Bisher gibt es noch keine Wahlergebnisse und alle hoffen auf friedvolles Verhalten..

Heute, am Donnerstag, ging es nun wieder ins Waisenhaus. Alina war auch wieder da, nachdem sie aufgrund von Malaria ein paar Tage zuhause geblieben war. Zur Mittagszeit gab es mal wieder eine kleine Diskussion.. Eines der Kinder hätte etwas von seiner Portion Reis übrig gelassen, da es offensichtlich satt war. Da ich das Essen keinesfalls wegwerfen wollte und mir auch sicher war innerhalb von Sekunden einen Abnehmer dafür zu finden, gab ich es also einem anderen Kind. Als Hannah, “die Waisenhausmutter”, es mitbekam, schimpfte sie und sagte, dass dieses Kind schon gegessen habe. Daraufhin sagte ich ihr, dass mir dies schon bewusst ist, aber er offensichtlich noch hungrig ist. Doch sie nahm ihm die Schüssel weg, ging wieder zu Kind Nummer eins und nötigte es weiter zu essen, obwohl es wirklich mehr als satt war und daraufhin sogar weinte. Ich sagte ihr, dass sie das Kind doch nicht zwingen sollte und was tat sie als sie schließlich auch merkte, dass es sinnlos ist? Ja, sie warf das Essen auf den Boden, anstatt es dem Jungen zu geben. Da fehlen einem doch die Worte.

Das Wochenende nun verbringen Lea, Antonia (die Freiwillige aus Koforidua, die wir in Cape Coast kennenlernten) und ich in der Volta Region. In meinem Reisebericht hatte ich erwähnt, dass wir von einem Besitzer einer eco lodge auf eine Party bei sich eingeladen wurden. Somit fahren wir schon morgen gegen Mittag vom Waisenhaus aus los. Ich werde euch nächste Woche natürlich wissen lassen wie es dort war!
Genießt die Vorweihnachtszeit und trinkt einen Glühwein für mich mit! Bei mir sind es aktuell läppische 33 Grad!
Eure Roxy


P.s.: Leider ist es nicht erlaubt Fotos vom Waisenhaus und den Kindern zu machen. Aus Kinderschutzgründen finde ich es sehr gut, allerdings hätte ich euch sehr gern die kleinen Knirpse gezeigt! 

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