Freitag, 28. Oktober 2016

Woche 6 (Kinder sind nicht böse & das erste Mal Krankenhaus)

Meine lieben Obrunis!

Ich schreibe wieder einmal um euch auf den neuesten Stand zu bringen..

Der Montag startete recht ruhig.. im Kindergarten dauert es montags immer ein wenig bis es losgeht. Wenn Lea und ich den Raum betreten, dann rufen uns die Kinder und freuen sich ganz süß. Übrigens nennen uns die meisten inzwischen bei unseren Namen, wobei ich manchmal  auch ‘Lea' bin, oder einfach ‘Lea Roxy' oder auch gern ‘Roski’, haha. Nachdem ja die eine Lehrerin letztens ihre Tochter mitgebracht hatte, brachte die andere nun ihren Sohn mit – fragt mich nicht warum. Später verschwand sie auch mit ihm und ließ sich nicht mehr blicken. Nun ja. Nach der zweiten Pause spielten wir mit den Kindern Memory. Es war wieder einmal sehr wild und anstrengend, aber die Kinder sind richtig, richtig gut geworden bezüglich der englischen Begriffe! Plötzlich wurden wir dann von der Lehrerin unterbrochen. Sie sprach die Kinder an und hielt ihnen offenbar eine Rede. Die Kinder wurden ganz kleinlaut und antworteten immer im Chor. Dann klärte uns die Lehrerin auf: Godslove hat ihren Eltern wohl erzählt, dass die Lehrer sie geschlagen und ihr außerdem etwas ins Ohr gesteckt hätten.. Sie fand es offensichtlich nicht in Ordnung, dass solch eine Information an die Öffentlichkeit gedrungen ist und meinte an uns gewandt, dass das Mädchen nicht wisse was es da sagt. Nun gut, etwas ins Ohr gesteckt hat ihr wohl eher ein Kind, aber das Schlagen entspricht ja vollkommen der Wahrheit.. Leider wissen wir nicht was sie den Kindern eingebläut hat. Ich habe wieder einmal mit mir gerungen, ob ich mich einmische. Aber noch sind es hier drei Wochen und Lea und ich wollen all unsere Gedanken lieber am Ende loswerden. Nun ja. Anschließend gingen wir mit den Kindern wieder auf den Hof und verbrachten dort die restliche Zeit.
Dann ging es los in die Stadt. Dort waren wir richtig erfolgreich. Lea fand ein paar neue Schuhe, wir kauften Seife für unsere Wäsche, ich fand endlich ein dünnes Handtuch (trocknet schneller, müffelt dann hoffentlich nicht) und dann holten wir unsere Hosen bei der Schneiderin ab. Als wir ankamen, strahlte sie und sagte ganz stolz, dass sie fast fertig ist. Uns wurden Plätze angeboten und wir warteten doch noch gute 30 Minuten, was aber nach der Hektik in der Stadt ganz angenehm war. Die Hosen sehen fantastisch aus und wurden wirklich gut verarbeitet. Zuhause angekommen merkte ich aber, dass meine doch ein wenig weit ist und daher werden wir am Mittwoch nochmal hingehen und ich werde sie bitten meine Hose enger zu machen. Denn der Stoff ist viel zu schön um nicht komplett zufrieden damit zu sein!
Achso und leider bin auch ich vor einer Erkältung nicht verschont geblieben.. Meine Reiseapotheke beinhaltet leider nichts dagegen, da ich tatsächlich dachte, ein Schnupfen wäre das letzte was ich mir hier einfange. Zum Glück hilft Lea mir aus und passenderweise ist sie auch ein Fan der Homöopathie. Bei 30 Grad ist so eine Erkältung nochmal deutlich unangenehmer, aber das wird schon.

Dienstags hatten wir erstaunlich viel zu tun im Unterricht – und mit viel meine ich, dass wir ganze zwei Aufgaben in die Hefte der Kinder schreiben durften! Wir waren dankbar. Unsere Zeit sollte dann in der letzten Stunde kommen. Allerdings bekam ich auf einmal ziemliche Bauchschmerzen und da ich verhindern wollte die Schul'toilette' zu benutzen, entschieden wir uns zu gehen. Tja, Pustekuchen – ich musste die Toilette (= Loch im Boden) benutzen, wenn ihr versteht was ich meine. Dieses Erlebnis möchte ich gerne aus meinem Gedächtnis löschen. Lea war ganz süß und wollte mich sogar meinen Berg hoch begleiten. Aber dann ging es erstmal wieder. Glücklicherweise wollten wir sowieso den Nachmittag mit Wäsche waschen verbringen, der Berg war groß wegen unseres Ausflugs am Wochenende. Die Sonne knallte, der Himmel war blau, also perfekt für einen ausgiebigen Waschgang! Ich hatte wirklich Spaß dran, ich finde es immer noch sehr meditativ. Als ich fertig war, waren die ersten Sachen schon wieder trocken – so gefällt mir das! Irgendwann kam meine Gastmutter und ich erzählte ihr warum ich schon so früh daheim war. Sie stellte mir gleich mal ein paar Fragen – ganz die Krankenschwester eben. Glück für mich, da fühlt man sich, krank in Afrika, nicht ganz so verloren.

Mittwoch: da weiß ich gar nicht so recht wo ich anfangen soll.. Ihr erinnert euch an den Vorfall mit Godslove? Es wurde wieder heiß diskutiert. Sogar ihre ältere Schwester wurde herbeigerufen, ausgefragt und angeschrien. Lea und ich verstanden natürlich kaum etwas außer “hospital” und “two years old”. Es stellte sich heraus, dass es ein Gespräch zwischen Godsloves Eltern, Lehrern und Schulleiter geben würde, dass das Mädchen wegen ihres Ohrs wohl ins Krankenhaus solle und dass sie angeblich erst 2 Jahre alt wäre. Etwas was nie und nimmer stimmen kann, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Wir wissen auch nicht, inwiefern dies momentan eine Rolle spielen würde, die Lehrerin meinte nur “we don’t take 2 years olds”. Es schien einfach ein guter Anlass um die Kleine aus der Gruppe zu werfen. Und dann war es soweit, endlich entschied ich mich dafür mich einzumischen. Ich fragte also was genau denn das Problem sei. Loretta, die jüngere der Lehrerinnen, berichtete nochmal von der Ungeheuerlichkeit, dass Godslove ihren Eltern von der Behandlung hier erzählt hatte. Ich versuchte ihnen vorsichtig klarzumachen, dass das Schlagen durchaus der Wahrheit entspreche und dass ihr wahrscheinlich ein Kind etwas ins Ohr gesteckt hatte und sie da vielleicht versehentlich etwas durcheinander gebracht hatte. Daraufhin meinten alle Lehrerinnen doch tatsächlich und allen ernstes, dass sie die Kinder nicht schlagen würden. Lea und ich dachten wirklich wir spinnen. Ich fragte wie sie es sonst nennen würden. Da erklärten sie wie selbstverständlich, dass der Stock ja wohl nicht wehtun würde und sie ja schließlich das Gesicht auslassen würden, am Rest des Körpers tue es ja nicht weh. Mein Puls war irgendwo bei 180 und am liebsten hätte ich sie gefragt, ob wir mal an ihr ausprobieren wollen, ob es wehtut! Stattdessen erklärte ich, dass es den Kindern sehr wohl wehtut (ihnen etwas von der Demütigung zu erzählen wäre vollkommen sinnlos gewesen) und es nicht nötig ist und es sehr schwach ist, wenn man zu solchen Mitteln greift. Natürlich fanden sie das gar nicht gut. Eine von ihnen meinte trotzig, dass die deutschen Kinder ja auch nicht so “böse” und “schlecht” sind. Mit viel Geduld erwiderten wir, dass Kinder allgemein nicht böse sind und es bei uns auch ohne Zuschlagen funktioniert. Da meinte sie doch tatsächlich, dass dies nicht stimmen würde. Ich war mit meinem Latein am Ende. Dann erklärte sie noch, dass man die Kinder disziplinieren müsse und dass wäre der richtige Weg. Achso und während unserer Diskussion lachten sie immer wieder lauthals und höhnisch, völlig unverständlich. Dann auf einmal ging es mit dem Unterricht los, offensichtlich wollten sie diesem Gespräch aus dem Weg gehen. Wirklich sehr schade diese Sichtweise. Ich kann nur wiederholen, dass ich verstehe, dass wir in einem Entwicklungsland sind und es nicht annähernd mit Deutschland vergleichbar ist. Aber wie man so denken kann, ist mir ein Rätsel und ich kann es nicht entschuldigen.
Donnerstag und Freitag haben wir nun frei, da die älteren Schüler irgendeine Sportveranstaltung haben und der Kindergarten geschlossen ist. Lea und ich nutzen dann den Vormittag für den Perlenmarkt und wollen danach vielleicht mal unsere anstehende Reise ein bisschen genauer planen. Freitag wollen wir dann nach Aburi fahren, dort soll es einen tollen Holzmarkt und obendrein noch einen botanischen Garten geben. Und Samstag würden wir gern noch zu den 'akaa waterfalls' fahren um die Wasserfälle noch während der Regenzeit zu bewundern. So ist der Plan – mal schauen was Ghana daraus macht!
Nachmittags waren wir wieder bei der Schneiderin, sie machte mir meine Hosen ein Stückchen enger, während Lea und ich in einem Spot eine Fanta tranken. Zahlen musste ich nichts fürs umnähen, ich sollte ihr lediglich eine Cola mitbringen.
Da ja Erkältung und Magenprobleme nicht genug sind, habe ich nun allem Anschein nach auch noch eine Bindehautentzündung. Verwunderlich ist es nicht, denn ich habe schon einige unserer Kinder mit einem matschigen Auge herumlaufen sehen.. Nun ja. Zum Glück habe ich meine Gastmutter, die mich morgen früh mit zu ihrer Arbeit nimmt, also ins Krankenhaus. Hoffen wir, dass es schnell vorübergeht!

Der Donnerstag startete also für mich mit dem Krankenhaus.. In der Nacht war ich ungefähr zehnmal aufgewacht und hatte gemerkt wie mein Auge immer dicker wurde. Als ich dann morgens aufstand und in den Spiegel schaute, traf mich fast der Schlag. Das rechte Auge war kaum noch zu öffnen, ich kam mir vor wie ein Pirat. Meine Gastmama bestätigte, dass wir handeln müssen und so ging es um kurz nach 7 Uhr mit meinen Gasteltern und Lea als moralische Unterstützung in Richtung Stadt. Im Krankenhaus angekommen, führte uns meine Gastmutter zur Abteilung “eye clinic”. Sie redete mit vielen Leuten, ich lernte die Schwester meines Gastvaters kennen, die auch Krankenschwester ist und Lea und ich sollten uns hinsetzen und warten. Es war unglaublich voll, obwohl es noch so früh war. Meine Gastmutter erklärte mir, dass sie verhindern will, dass ich ins System aufgenommen werde, da es dann unter anderem um einiges teurer werden würde. Dann flossen kurz die Tränen, da sie plötzlich meinte, ich würde mich ja auch so fiebrig anfühlen. Ich war einfach überfordert und ängstlich und wollte nachhause und nicht krank in Ghana sein. Nach kurzer Wartezeit musste ich einen kleinen Sehtest machen, bei dem ich mit meinem matschigen Auge natürlich nicht allzuviel erkennen konnte. Dann wurde ich in ein Behandlungszimmer gebracht. Eine Ärztin sah sich mit einem Gerät meine Augen an. Sie war nicht besonders gesprächig und so musste ich ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. Letztendlich stellte eher ich die Diagnose als sie, sie stimmte mir aber immerhin zu. Dann hieß es, dass ich wohl eine Wimper im Auge hätte und sie diese entfernen wolle. Das wunderte mich, weil ich der Meinung war, dass so eine kleine Wimper gerade das kleinste meiner Probleme ist und die schon irgendwann von selbst ihren Weg nach draußen findet. Dafür müsse sie etwas sterilisieren und ich solle ungefähr 45 Minuten warten. Nun gut. Sogar früher als gedacht rief sie mich wieder zu sich. In einem anderen Raum sollte ich mich auf eine Liege legen. Und jetzt kommt’s: sie wollte nicht eine Wimper aus dem Auge entfernen, sondern mir welche ausreißen! Und so zupfte sie einige von meinen wertvollen Wimpern aus – sehr unangenehm übrigens. Den Sinn habe ich nicht ganz oder eher überhaupt nicht verstanden. Ich bekam ein Rezept für Augentropfen und Salbe. Um einige Wimpern ärmer wurde ich entlassen. Ich telefonierte noch kurz mit Gastmama, die sagte, ich solle mich nicht sorgen und außerdem viel trinken. Ich schämte mich ein wenig, da ich so eine Obruni-Vorzugsbehandlung bekam und die ganzen armen Leute hier stundenlang warten mussten.. dennoch war ich natürlich unglaublich erleichtert und meiner Gastmutter sehr dankbar. In der Apotheke bekam ich für 17 Cedi meine Medikamente und der nette Apotheker erklärte mir nochmals genau die Anwendung. Nun ging es mir ein wenig besser. Es ist nicht meine erste Bindehautentzündung, aber ich sage euch: in einem völlig fremden Land kommt einem die kleinste Krankheit viel dramatischer vor!
Mit schlechter Sicht meinerseits erschien uns der Perlenmarkt nun ein wenig sinnlos und so ging es mit Lea zu mir nachhause. Ich nahm meine Augentropfen, wir entspannten auf dem Sofa und planten unsere große Reise. Das nahm auch ordentlich Zeit in Anspruch und war gar nicht mal so einfach, trotz super Reiseführer und Internet. Wir glauben aber, dass wir uns bestmöglich informiert haben und sind natürlich offen für spontane Planänderungen während der Reise. Obwohl es noch eine Weile hin ist, sind wir jetzt schon aufgeregt!
Am Freitag, wollten wir ja ursprünglich nach Aburi. Aber da ich mit meinen entzündeten Augen lieber nichts riskieren möchte - und schon gar nicht staubige Trotro-Fahrten - verschieben wir diesen Ausflug und werden lieber einen Lesemarathon einlegen.

Nun ist schon wieder Freitag und die Woche verging ziemlich flott. Ich hatte bis um 7 Uhr morgens ausgeschlafen (ja, das ist hier tatsächlich ausschlafen), bin dann in aller Ruhe aufgestanden und habe mich daran gemacht Bettlaken, Kissenbezüge und meinen Schlafsack zu waschen. Das war mal wieder sehr schweißtreibende Arbeit. Aber auch die Sonne leistete wieder ganze Arbeit und nach kurzer Zeit war alles schon wieder trocken. Gegen halb 12 Uhr schaute dann Lea vorbei, bevor sie ins Internetcafé zum Skypen ging. Der Freitag war also seeeehr ruhig. Mal ist das in Ordnung und ich wollte ja auch meine Augen auskurieren, aber manchmal ist es auch ein wenig nervig, da die Möglichkeiten hier so begrenzt sind. Da vermisst man dann schon das gute alte Berlin, wo einem einiges mehr einfallen würde bzw. es einfach mehr zu tun gäbe. Nun ja. Wie gesagt, wollen wir am Samstag wahrscheinlich zu den akaa waterfalls und dann kommt sicherlich wieder ein wenig Action ins Spiel.
Nächste Woche dann müssen wir mal in der Schule bekanntgeben, dass unsere Zeit dort bald vorüber ist. Ich hab keine Ahnung wie der Schulleiter und die Lehrer reagieren werden. Vielleicht bedauern sie unsere Entscheidung und werden nicht nachvollziehen können warum wir gehen, vielleicht werden sie aber auch beleidigt sein. Einerseits tut es mir wirklich Leid, da wir die ersten Freiwilligen seit 3 Jahren sind und nun nach 2 Monaten schon wieder gehen. Andererseits hat man es uns auch alles andere als leicht gemacht und zu interessieren schien sich ja niemand für uns. Und gerade wenn ich dann mal Berichte von anderen Freiwilligen lese, welche so wahnsinnig herzlich aufgenommen wurden, Arbeit bekamen und auch wirklich ein Austausch stattfand, dann finde ich es doch schon sehr schade und es bestätigt mir noch einmal, dass ich so keine 6 Monate verbringen möchte..
Achso, meine Augen sehen schon um einiges besser aus, es wird also:)

Ach, Ich vermisse euch alle sehr. Und teilweise habe ich das Gefühl eure Gesichter gar nicht mehr zu kennen (ist natürlich Quatsch, aber es kommt mir schon so lang vor)!
Heute bin ich 6 Wochen in Ghana – ganze Sommerferien!
Grüße aus dem 32 Grad heißen Koforidua!
Eure Roxy

p.s.: mein Blog wurde schon 1501 mal aufgerufen! Ich freue mich wahnsinnig, dass ihr so an meinem Leben hier teilnehmt!!
Und hier endlich ein Bild meiner Gasteltern - frisch herausgeputzt für die Arbeit!

Gastpapa und Gastmama:) 

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